Ursachensuche in Beirut beginnt - War die gewaltige Explosion ein Unfall?

05/08/2020
Ursachensuche in Beirut beginnt: War die gewaltige Explosion ein Unfall?
05.08.2020, 09:49 Uhr | dpa, AFP, rtr, lw, ak, aj


 

Bei der schweren Explosion in Beirut sind Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Mindestens 3.700 Menschen wurden verletzt, darunter auch Deutsche. Die Suche nach den Schuldigen hat begonnen.


Nach der gewaltigen Detonation in Beirut mit mehr als 70 Toten und 3.000 Verletzten beginnt im Libanon die Suche nach möglichen Ursachen. Ausgelöst haben könnte die schwere Explosion eine sehr große Menge Ammoniumnitrat: Schätzungsweise 2.750 Tonnen der gefährlichen Substanz seien jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert worden, sagte Ministerpräsident Hassan Diab dem Präsidialamt zufolge. Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es nicht.
Die Explosion stürzte die libanesische Hauptstadt, deren Bevölkerung derzeit schon unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise leidet, in noch tieferes Chaos. Durch die Erschütterung zerbarsten Fenster, Trümmerteile schlugen Löcher in Wände. Blutende Menschen wanderten durch Schutt und Staub, einige Straßen waren voller Glasscherben. Große Teile des Hafens wurden vollständig zerstört. Beirut, in dessen Großraum schätzungsweise bis zu 2,4 Millionen Menschen leben, wurde zur "Katastrophen-Stadt" erklärt. "Es ist eine Katastrophe im wahrsten Sinne des Wortes", sagte Gesundheitsminister Hamad Hassan beim Besuch eines Krankenhauses. 
Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dient, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Hafenstadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden. In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat unter das Sprengstoffgesetz.
Der Stoff könnte von einem Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Besatzung gingen dann Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde.

Auch Mitarbeiter der deutschen Botschaft unter den Verletzten
Bei der Detonation hatte sich eine riesige Pilzwolke am Himmel gebildet. Eine Druckwelle breitete sich blitzschnell kreisförmig aus. Noch Kilometer weiter gab es Schäden. Beschädigt wurden der Regierungspalast, die finnische Botschaft und die Residenz von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri. Am Suk Beirut, einer modernen Einkaufsgegend, zerbarsten Fensterscheiben. Auch ein Schiff der UN-Friedenstruppen im Libanon (Unifil) wurde beschädigt. Es seien Blauhelm-Marinesoldaten verletzt worden, teilte die Mission mit.
Auch das Gebäude, in dem sich die deutsche Botschaft befindet, sei beschädigt worden, teilte das Auswärtige Amt am Dienstagabend in Berlin mit. Auch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft seien unter den Verletzten. Angesichts der starken Schäden im Stadtgebiet könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass weitere deutsche Staatsangehörige unter den Opfern und Verletzten seien. Das Auswärtige Amt zeigte sich "erschüttert". 
Präsident Michel Aoun rief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. "Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe", sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Regierungschef Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.

Große Schäden im Zentrum Beiruts
Eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete von einer starken Erschütterung im Stadtzentrum und von großen Schäden. Durch die Wucht der Explosion, die sich am Hafen der Küstenstadt ereignete, gingen zahlreiche Fenster zu Bruch. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP vermeldete, dass alle Geschäfte im Quartier Hamra durch die Explosionen beschädigt worden seien. 
Ein Bewohner Beiruts schrieb bei Twitter von "bebenden Gebäuden". Ein anderer schrieb: "Beirut wurde gerade von einer gewaltigen, ohrenbetäubenden Explosion verschlungen. Ich habe es in meilenweiter Entfernung gehört.